Anneliese Becker
Gelassenheit. Späte Gedichte

Inhaltsverzeichnis

  • Einführung 8
  • Gedichte 11
    • Abschied im Kriege 11
    • Man muß es nur wagen 12
    • Letzter Abschied 13
    • Die Weserbrücke bei Stolzenau 15
    • Der Schritt ins Altersheim 17
    • Altersheim 18
    • Man bleibt immer etwas schuldig 19
    • Bald 20
    • Gewitter 21
    • Mein erster Flug 22
    • Unser Groschen 24
    • Unverdiente Gnade 25
    • Der Tanzbär 27
    • Zum 90. Geburtstag... 29
    • Uhren gestern und heute 30
    • Rückblick und Ausblick 32
    • Isolde 35
    • Ein guter Kauf 38
    • Ein Traum 40
    • Mein schönstes Kompliment 42
    • Wer kennt die Stunde? 44
    • Gelassenheit 47
    • Ich will nicht 48
  • Kurzbiographien 49
    • Anneliese Becker 49
    • Katharina Bauer 51

Die Weserbrücke bei Stolzenau

Ich würde so gern noch einmal
auf der Weserbrücke stehn
und von dort, hoch über dem Flusse,
auf die Stätten der Kindheit sehn.

Ein Dampfer käme von ferne,
gleich knickt er den Schornstein ein,
um die Brücke passieren zu können,
fünf Schleppkähne hinterdrein.

Die Bootsleute winken freundlich,
ich gebe den Gruß zurück
und denke, bis zum Ziele
ist es noch ein langes Stück.

Ich möchte noch mal auf der Brücke
im pfeifenden Winde stehn
und, die Hände am Geländer,
auf die treibenden Eisschollen sehn.

Und am Osterabend die Feuer
in dem weiten, ebenen Land:
von der Brücke aus sah´n wir sie leuchten,
bis sie langsam niedergebrannt.

Ich weiß, ich werde nie wieder
auf der Weserbrücke stehn,
doch das Bild des vertrauten Stromes
wird immer mit mir gehn.
19.7.2002
Illustration von Katharina Bauer
Illustration von Katharina Bauer

Man bleibt immer etwas schuldig

Ich habe so manches versprochen,
doch wie es im Leben so geht,
Tage vergingen und Wochen,
und plötzlich war es zu spät.

Ich bin so viel schuldig geblieben:
Der Besuch fand niemals statt,
ein Brief blieb ungeschrieben,
das quält mich in schlafloser Nacht.

Doch keiner von meinen Lieben
würde jemals mein Ankläger sein:
"Nur wer nie etwas schuldig geblieben,
der werfe den ersten Stein."
26.3.2002